Kommentar: Erfolg beim Volksbegehren gegen Studiengebühren

Die Erlanger SPD hatte uns gefragt, ob wir in deren Monatsspiegel einen Gastkommentar zum gemeinsam mit vielen Parteien, Gewerkschaften und Organisationen erzielten Erfolg im Volksbegehren schreiben wollen. Das haben wir gerne getan.
Er ist jetzt in der März-Ausgabe erschienen (Seite 11).


Da die erste Version des Kommentars deutlich länger war und letztendlich noch radikal zusammengekürzt werden musste, folgt hier jetzt (der Vollständigkeit halber) die ursprüngliche Version:
Mit einem solch überwältigenden Erfolg hatte dann doch kaum jemand gerechnet. 1.352.618 Wahlberechtigte und damit 14,3% der bayerischen Wahlbevölkerung trugen sich laut amtlichem Endergebnis zwischen 17. und 30. Januar für das Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren ein. Damit wurde das nötige Quorum von zehn Prozent spielend übertroffen. Noch nie in der bayerischen Geschichte hatten sich so viele Menschen für ein Volksbegehren eingetragen. Es sieht so aus, dass es nun gar nicht mehr zum Volksentscheid, bei dem die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden würde, kommen wird. Nach Monaten der Handlungsunfähigkeit der Regierung werden die Studiengebühren jetzt doch noch vom Landtag abgeschafft.

Inhaltliche Gründe dafür gibt es genug. Studiengebühren waren der Einstieg in ein privat finanziertes Hochschulsystem. Damit wird der Zugang zu Bildung nicht mehr als gesellschaftliche Aufgabe betrachtet, die von allen, also vom Staat sicherzustellen ist, sondern Bildung wird als Ware betrachtet. Eines der beliebtesten Argumente der StudiengebührenbefürworterInnen bestätigt dies. „HochschulabsolventInnen verdienen später ja auch mehr, da ist es nur gerecht, wenn sie auch für ihr Studium zahlen.“ Mit Hochschulabschluss bin ich auf dem Arbeitsmarkt mehr wert, also soll ich mir diesen bitteschön auch erkaufen. Diese Denke reduziert das Studium ausschließlich auf die Verwertbarkeit eines Studienabschlusses auf dem Arbeitsmarkt und suggeriert zudem, dass alle AkademikerInnen automatisch mit Berufseinstieg besser verdienen als Nicht-AkademikerInnen.
danke_erlangen

Studiengebühren wirken sich negativ auf den Alltag von Studierenden aus. Sie halten diejenigen vom Studium ab, die sich ein Studium nicht leisten können und sich auch nicht verschulden wollen, um das Recht auf (Hochschul-)Bildung in Anspruch nehmen zu können. Wie groß diese Gruppe ist, kann ich nicht beurteilen, denn sie ist an der Hochschule nie angekommen. Doch Studiengebühren bereiten den Studierenden auch in ihrem Alltag große Probleme, denn es sind 83 € mehr im Monat, die zusätzlich zu Miete, Verpflegung und ohnehin anstehende Kosten fürs Studium hinzukommen. Wie groß diese Gruppe ist, weiß ich ziemlich genau: denn in meinem Bekanntenkreis kenne ich niemanden, der oder die ohne Nebenjob durch das Studium kommt. Und das liegt zu einem beträchtlichen Teil an den Studiengebühren.

Dass es so schnell zu einem Ende der Studiengebühren in Bayern kommt ist eine freudige Überraschung. Im Oktober 2012, die Amtszeit der neu gewählten Studierendenvertretung hatte gerade begonnen, hatten wir noch ganz andere Szenarien im Kopf. Der Fokus lag ganz klar auf den anstehenden Landtagswahlen in den beiden letzten Ländern mit Studiengebühren, in Niedersachsen im Januar 2013 und in Bayern im September. Alle anderen Bundesländer hatten nie Studiengebühren oder sie wurden wieder abgeschafft bzw. die Abschaffung war schon beschlossen. Unser Plan war deshalb, dass wir Studiengebühren zu einem wichtigen Thema in beiden Wahlkämpfen machen sollten, um Deutschland dann Ende 2013 – durch Regierungswechsel oder Einlenken einzelner Parteien – wieder gebührenfrei gemacht zu haben.

Am 22. Oktober entschied das bayerische Verfassungsgericht dann über die Zulässigkeit des von den Freien Wählern initiierten Volksbegehrens „Nein zu Studienbeiträgen“. Niemand, nicht einmal die Freien Wähler selbst, rechneten sich Chancen aus, dass das Volksbegehren zugelassen werden könnte. Zu eindeutig schien die Sachlage: Das Innenministerium hatte die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens bestritten, da es gegen Artikel 73 der Verfassung verstoße, nach der über den Staatshaushalt kein Volksentscheid stattfinden dürfe. Interessant war schon damals die Begründung des Innenministeriums: “Könnten zukünftig keine Studienbeiträge mehr erhoben werden, würde eine nicht unwesentliche Grundlage der Finanzierung der staatlichen Hochschulen entfallen.[1]Dass Studiengebühren laut Hochschulgesetz gar nicht für die Grundfinanzierung verwendet werden dürfen, schien beim Innenministerium noch nicht angekommen zu sein. Doch trotz dieser unsachlichen Begründung rechneten alle damit, dass das Verfassungsgericht den Staatshaushalt so weit auslegen würde, dass die Gebühren darin enthalten seien und das Volksbegehren damit nicht zugelassen werde.

Es kam anders. Nach der überraschenden Zulassung des Volksbegehrens überschlugen sich die Ereignisse. Keine 48 Stunden später gelangte man in der CSU zu der Erkenntnis, dass Studiengebühren von der Bevölkerung abgelehnt werden könnten und eine Niederlage im Wahljahr 2013 möglicherweise unpassend sei. Eine Zeit lang sah es also ganz danach aus, dass das Volksbegehren gar nicht mehr nötig sei, sondern Studiengebühren direkt abgeschafft würden. Dem machte wiederum die FDP einen Strich durch die Rechnung, die im Festhalten an der Vereinbarung im Koalitionsvertrag eine der letzten Chancen witterte, sich gegen alle Parteien profilieren zu können und damit den Sturz in die Bedeutungslosigkeit abwenden zu können.

Somit wurde also das Volksbegehren notwendig. Zur Mobilisierung bildeten sich schnell überall Bündnisse aus Parteien, Gewerkschaften, weiteren Organisationen und Studierendenvertretungen. Ein so breites Bündnis aus deutlich über 20 Organisationen für ein Volksbegehren gab es wohl noch nie. Vor allem für die Studierendenvertretung war es ein Novum. Dass wir mithelfen konnten, ein Anliegen so direkt zu unterstützen und nicht auf den guten Willen der Universitätsleitung oder des Wissenschaftsministeriums angewiesen waren, um ein Ziel zu erreichen, ist eine völlig neue Erfahrung. Umso mehr freut es uns, dass die Zusammenarbeit so hervorragend geklappt hat. Gerade im Erlanger Bündnis lief die Kooperation nahezu optimal, gemeinsam wurden öffentlichkeitswirksame Aktionen wie die Sammeleintragung zum Start des Volksbegehrens durchgeführt, alle ca. 70.000 Haushalte mit Flyern versorgt und jeden Tag über mehrere Stunden ein Infostand vor dem Rathaus betreut. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Mit 22,3% hat Erlangen den ersten Platz unter allen Landkreisen und kreisfreien Gemeinden erreicht, unmittelbar gefolgt vom Landkreis Erlangen-Höchstädt. Für dieses Ergebnis darf ich mich, im Namen der Studierendenvertretung, bei allen, die mitgeholfen haben, durch aktive Mitarbeit und durch das Setzen ihrer Unterschrift, herzlich bedanken.

Auch wenn Studiengebühren bald Geschichte sind – die Arbeit geht natürlich trotzdem weiter. Zu allererst muss nun dafür gesorgt werden, dass die wegfallenden Gelder voll kompensiert werden. Denn dass die Hochschulen das Geld bitter nötig haben, ist offensichtlich – Studierende sind nur nicht die, die es bezahlen sollten. Die ausreichende Finanzierung der Hochschulen ist und bleibt Staatsaufgabe. Der Versuch, diese teilweise zu privatisieren ist glücklicherweise gescheitert. Und wenn das geschafft ist, gibt es immer noch genug Baustellen in der Bildungspolitik, die angepackt werden müssen. Als Studierendenvertretung können wir uns dann Themen widmen, die wegen der zuletzt starken Fokussierung auf die Abschaffung der Studiengebühren zurückgeblieben sind. Die Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft, die erhebliche Verbesserungen in der Arbeit und Selbstorganisation mit sich bringen würde, wird das nächste Projekt sein. Aber auch Bestrebungen für ein echtes und bezahlbares Semesterticket gibt es im Raum Erlangen-Nürnberg seit über 20 Jahren – bisher erfolglos. Und das sind nur zwei Themen von vielen.
Schlussendlich werden die Studierenden die große Solidarität, die ihnen alle Bevölkerungsmilieus beim Volksbegehren haben zukommen lassen, nicht vergessen. Deshalb werden wir auch in Zukunft aufmerksam mitverfolgen, wie es um Bildungshürden in anderen Bereichen steht – seien es die im Kleinkindbereich oder an den Meisterschulen.

[1]: Staatsministerium des Inneren, Pressemitteilung Nr. 259/12: http://www.stmi.bayern.de/presse/archiv/2012/259.php