Zahnlose Elite?

Bei der ZEIT ist ein Seitenhieb auf die Nachwuchs-Elite zu finden, dessen Tenor ich uneingeschränkt teilen kann:
„Zu viele dieser Nachwuchsakademiker haben zwar Ahnung, aber keine Meinung. (…) Wer eine als richtig erkannte Idee durchsetzen will (…) der muss den Mut haben, ein Risiko einzugehen, Schuld auf sich zu laden und für mögliche Fehler geradezustehen.“

Das im Artikel beschrieben Phänomen habe ich auch selber beobachtet. Nett und charmant vom letzten Golfturnier erzählen oder mit einer akademischen Glanzleistung zu prahlen ist das Eine, aber sich wirklich für etwas einzusetzen und zu arbeiten ist das Andere.
Es gibt sie, diese Menschen, die schon das Früstück nach den Ratschlägen des Manager-Magazins ausrichten, die viele Praktika machen weil man das so verlangt, die die vielen „Tips für Nachwuchsmanager“ aufsaugen wie ein Schwamm und nachbeten. Aber die Anzahl der Menschen die eigene Ideen voranbringen, z.B. auch in den Studierendenvertretungen, ist relativ gering. Diese Persönlichkeitsbildung wird aber immer weniger gefördert oder ermöglicht. Ein enges Modul-Korsett, und die aus der Industrie als Vorbild präsentierten aalglatten Musterlebensläufe verhindern eine wirkliche Bildung und Persönlichkeitsentwicklung und machen die Universität nur zu einer etwas höheren Ausbildungsanstalt. Aber ich möchte mich der Frage anschließen: will die Wirtschaft wirklich solche Führungskräfte haben, die sich selber nur von den Meinungen Anderer führen lassen?

8 Antworten auf „Zahnlose Elite?“

  1. um das ganze etwas zu präzisieren: Kritisiert wird im Artikel die „Bildungselite“. Die These, dass diese zwar gut informiert ist – aber zu passiv wenn es darum geht tatsächlich etwas ändern zu wollen würde ich jederzeit unterschreiben.

    Wer Strukturen fördert, die dafür sorgen, dass junge Menschen nur noch schnell und effizient AUSgebildet werden, braucht sich etwa nicht wundern wenn Populisten vom Typ Lafontaine oder Haider die Politik maßgeblich beeinflussen können. Ich würde mir schon wünschen, dass Bildungsziele wie Urteils- und Kritikfähigkeit, politische Kompetenz, Gerechtigkeitssinn und Fähigkeit zu solidarischem Handeln; etc. (siehe wikipedia unter Bildung) wieder stärker in den Vordergrund rücken.

    Bologna ist da übrigens durchaus nicht der Feind – eher ist die Frage was man daraus macht. Wenn man wie an der Philosophischen Fakultät einen erheblichen Anteil an ECTS aus Soft-Skills hat und man bei diesen Soft-Skills sehr frei belegen kann was man möchte, dann kann auch mit Modulsystemen was vernünftiges rauskommen.
    Bei Studiengängen, in denen man lediglich versucht möglichst viele Fachinhalte von möglichst vielen Instituten reinzuprügeln (nennt sich „interdisziplinär“) und die Vorlesungen dann von Leuten halten lässt die nur denglisches Fachchinesisch können (nennt sich „international“) rollen sich mir dagegen die Zehennägel auf.

  2. Ja, weil solche Führungskräfte nicht gegen ihre Vorgesetzten rebellieren, sondern sich mit der Hoffnung auf eine Beförderung mit Begeisterung ausbeuten lassen.

  3. Es ist immer leichter, wenn man im Strom mitschwimmt. Eine eigene Meinung ist hinderlich oder genickbrechend. Der Punkt ist: der Student kann gegen schlechte Bewertungen kaum etwas unternehmen und diese sind nunmal noch häufig das Einstellungskriterium Nr. 1. Wenn ich sag, was ich denke bewahr ich mir zwar meinen Stolz, aber ich kann auch ordentlich auf die Nase fallen und bekomm dann eben nicht die gewünschte Note. Dann bekommt der Student die 1, der sich hinhockt, die Publikationen auswendig lernt und in der Prüfung das angelesene Wissen hinkotzt. Das das nicht sinnvoll ist, darüber brauchen wir kaum streiten.

    Die Leute, die sehr gut im Studium sind, sind sehr selten sozial aktiv. Gut, von nichts kommt halt nichts. Dennoch habe ich mit sehr guten Leuten teilweise das Problem, dass sie entweder weltfremd oder total verschüchtert sind oder einfach keine Lust haben sich für andere einzusetzen.

    Leute, die zur Elite gehören, sind da aus einem gewissen Grund. Und sicher nicht, weil sie ihre Meinung unbedingt durchsetzen wollten und dafür gekämpft haben. Der Punkt ist einfach: eine eigene Meinung kann gefährlich und hinderlich sein und deshalb ist es sinnvoller die Klappe zu halten, wenn man hoch hinaus will.

  4. Der golfspielende Student dürfte in der Realität wohl eher die (klischeebehaftete) Ausnahme darstellen und stolz auf selbst erbrachte Leistungen zu sein ist m.E. keineswegs kritikwürdig.

    Leider ist auch Arbeiten keine andere Seite, sondern dank Studiengebühren und -beitrag, für viele zwingende Bedingung um ihren Lebens- und Studienunterhalt finanzieren zu können. Wo dann noch, neben dem nicht ganz unwesentlichen Aspekt einen guten Abschluss zu erzielen, die Zeit bleiben soll sich studentisch zu engagieren bleibt ein Rätsel.

    Ich glaube auch nicht das leistungsorientierte Studenten eine unkritische Masse darstellen, sondern sich vielmehr um ihre Zukunft sorgen. Denn leider stellt der Personalchef nicht nach Meinungs-, sondern letztlich nach Leistungsstärke ein.

    Interessant daher ebenfalls ein Zitat aus der „Zeit“ (Campus):

    „Die Studenten von heute sind Bachelors, die unter dem Druck von Studiengebühren und Arbeitsmarkt versuchen, ihr Studium in sechs Semestern herunterzureißen, für die das gemütliche Vor-sich-hin-Leben und Debattieren vergangener Generationen nicht mehr ist als eine verschrobene Erinnerung: weltfremd, zum Schmunzeln irgendwie.“

    [ Quelle: http://www.zeit.de/campus/2008/04/asta-wandel-politik?page=1 ]

  5. @Sas
    „Leute, die zur Elite gehören, sind da aus einem gewissen Grund. Und sicher nicht, weil sie ihre Meinung unbedingt durchsetzen wollten und dafür gekämpft haben. Der Punkt ist einfach: eine eigene Meinung kann gefährlich und hinderlich sein und deshalb ist es sinnvoller die Klappe zu halten, wenn man hoch hinaus will.“

    Wenn du dir anschaust wer die Entscheidungs-Elite ist, dann sind das nicht die Leute die nie den Mund aufgemacht haben – ganz im Gegenteil. Dass man nur mit Poltern und Daueropposition nicht weit kommt ist klar. Aber der Antrieb etwas bewegen zu wollen ist langfristig wichtiger. Dazu gehört auch, dass man bisweilen klare Positionen bezieht.
    Bildungselite kann man auch stromlinienförmig werden. Aber wozu bildet man sich wenn man mit den so gewonnenen Einsichten nichts anzufangen weiß?

  6. @Martin: Du darfst aber auch nicht vergessen, dass man um so erfolgreicher ist, desto weniger alpha-Tiere es gibt…. Und zu viele alpha-Tiere die sich alle für das einsetzen, was sie für richtig halten, blockieren sich gegenseitig -> kann man in der Politik gut beobachten. Und das ist oft noch schlimmer als die schlechtere der beiden Lösungen. Was die Wirtschaft also bracht um erfolgreich zu sein sind wenige Vordenker und viele Schafe. Ober das Ethisch/Moralisch gut ist steht auf einem anderen Blatt.

  7. @martin:
    Seinen Mund kann man aber erst dann aufmachen, wenn man bereits eine gewisse Macht bzw. die richtigen Connections hat. Und diese Connections bekommst du, wenn du das sagst, was dein Förderer hören will oder zumindest sehr nah an dessen Thesen dran bist. Ich würde auch mit niemanden arbeiten wollen, der nicht wenigstens sehr ähnlich wie ich denkt.
    Und an welche Entscheidungs-Eliten hast du genau gedacht?

  8. Um nochmal etwas grundsätzliches einzuwerfen, was mich an den gegenwärtigen Diskussionen rund um Bildung etwas stört, das ist die Ökonomisierung. Momentan wird m.M. nach der Fokus viel zu stark auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft gelegt, bzw. scheint mir momentan der wirtschaftliche Nutzen die einzige Entscheidungsgröße zu sein, nach der unser Bildungssystem optimiert wird.
    Nicht das ihr mich falsch versteht, ich studiere Volkswirtschaft und kann mich stundenlang mit Wirtschaftsfragen beschäftigen und für mich ist Humankapital kein Unwort. Aber mir ist genauso klar, dass der Homo Oeconomicus eben nur eine Teil des menschlichen Verhaltens beschreibt und die Wirtschaftswissenschaften nur einen bestimmten Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens betrachten. Und in der öffentlichen Diskussion habe ich oft den Eindruck, dass nur noch wirtschaftliche Aspekte betrachtet werden.
    Aber genau das ist doch ein Rückschritt! Wirtschaftliches handeln ist Mittel zum Zweck, und mehr nicht. Wir brauchen doch als Gesellschaft und Individuen Ziele und Vorstellungen die darüber hinaus gehen und genau hier ist unser Bildungssystem gefordert!

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