Am vergangenen Freitag war der bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Thomas Goppel zu Gast bei einer Gesprächsrunde mit Studierenden an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dazu eingeladen hatte der Sprecherrat. Der Einladung sind Studierendenvertreter aus allen Fakultäten gefolgt, die gerne ihre Anliegen und Probleme in die Diskussion mit dem Minister einbrachten.
Das Gespräch verlief sachorientiert und in einer sehr angenehmen Atmosphäre – auch wenn man den landläufigen Vorurteilen nach vielleicht anderes erwartet hätte. Immer wieder versicherte der Minister auch, jederzeit als Ansprechpartner für die Studierenden da zu sein, und bei Problemen helfen zu wollen, soweit dies möglich ist. Die Studierendenvertretung wird sich auf dieses Versprechen gerne berufen! 🙂
Das Ministerium war durch den Herrn Staatsminister selbst, den für studentische Angelegenheiten zuständigen Ltd. Ministerialrat Leo Pfennig, den Betreuungsreferenten für die Universität Erlangen-Nürnberg, Herrn Ministerialrat Dr. Wolfgang Strietzel und die Pressereferentin Frau Ministerialrätin Angelika Kaus vertreten.
von links nach rechts: Christoph Heberlein, Philipp Schrögel, Leo Pfennig, Dr. Thomas Goppel, Dr. Wolfgang Strietzel, Angelika Kaus (Foto: André Kreuter)
Eines der ersten Probleme, das die Studierenden angesprochen haben, betrifft die Studierenden aus dem Nicht-EU-Ausland. Diese haben in der Regel keine Möglichkeit ein Studienbeitragsdarlehen aufzunehmen. Besonders diejenigen, die bereits vor der Einführung der Studiengebühren ihr Studium in Bayern begonnen stehen vor der Situation jetzt noch das zusätzliche Geld aufbringen zu müssen oder im schlimmsten Fall ihr Studium in der Mitte abbrechen zu müssen.
An der Universität Erlangen-Nürnberg wurden zwar einige Möglichkeiten geschaffen, um den Betroffenen zu helfen, so haben sie zum Beispiel die Möglichkeit sich das Geld mit Jobs an der Universität zu verdienen oder eine Förderung zu beantragen.
Wie die Studierendenvertretung auch, sieht der Minister aber in dem Punkt noch Verbesserungsbedarf, besonders da es mit den straffer organisierten Ba/Ma Studiengängen schwieriger werden wird nebenher zu arbeiten. Eine vorgeschlagene Möglichkeit wäre die Einführung einer Sonderquote zur Befreiung für die Nicht-Darlehensberechtigten. Das Ministerium lehnt aber einen grundsätzlichen Zugang zum Darlehen ab, da dies die eben erst gesenkte Abführungsquote an den Sicherungsfonds wieder erhöhen würde.
Die Studierendenvertretung fordert eine Übergangsregelung für die bereits hier studierenden Kommilitoninnen und Kommilitonen, und langfristig die Möglichkeit zur Aufnahme eines Studiengebühren-Darlehens. „Dafür muss eine andere Lösung zur Absicherung gefunden werden, die Sozialverträglichkeit des Darlehens dürfen nicht die Studierenden selbst mit den Abgaben an den Sicherungsfonds schultern“ wie der studentische Senator und Sprecherrat Philipp Schrögel erläutert.
Die Raumsituation ist an vielen bayerischen Hochschulen ein großes Problem, an der Universität Erlangen-Nürnberg ist die Situation besonders im Bereich der Erlanger Innenstadt und bei den
Erziehungswissenschaften in Nürnberg sehr angespannt.
Mit der Einführung der Studiengebühren vor einem Semester wachsen nun auch die Begehrlichkeiten diese dazu zu verwenden, Räume zu schaffen. Die Studierenden waren dabei einhellig der Meinung, dass Gebäude und Räume zur grundlegenden Infrastruktur gehören, die aus Studiengebühren NICHT zu finanzieren sind. Der Staatsminister teilt diese Position, er hat versichert, “die Raumsituation muss und wird vom Staat gesichert werden!” Die Studierendenvertretung wird bei den Anträgen zur Verwendung der Studiengebühren verstärkt darauf achten, ob und wie eine bauliche Maßnahme finanziert werden soll.
Die in einigen Berichten bereits geschilderte schwierige Situation bei der Umstellung auf Bachelor-Studiengänge bei der Lehrerausbildung war eines der Hauptthemen bei der Gesprächsrunde. Das Ministerium hält die geäußerte Kritik für berechtigt und ist an einer schnellen Lösung des Problems, an der ehemaligen Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, interessiert. Hintergrund der Schwierigkeiten ist, dass die Probleme im Vorfeld unterschätzt wurden. Jetzt muss schnellstmöglich die Studierbarkeit für die Betroffenen sichergestellt werden. Der Minister hat zugesichert alles dafür zu tun, und nötigenfalls auch zusätzliches Personal zur Verfügung zu stellen. Auch der Vorschlag von der Studierendenvertretung, den betroffenen Studierenden wegen des teils chaotischen Studienverlaufs bei Fristen und Regelungen für die Grundlagen- und Orientierungsprüfung entgegenzukommen, wurde positiv aufgenommen.
Mit der Einführung der allgemeinen Studiengebühren wurden die schon zuvor erhobene Verwaltungsgebühr von 50€ pro Semester nicht abgeschafft. Dieses Geld geht keineswegs an die Verwaltung der Hochschulen, sondern fließt direkt in den allgemeinen Staatshaushalt. Die Studierendenvertretung lehnte diese zusätzlichen Gebühren ab, da sie zweckfremd und intransparent erhoben werden, und fordert die Abschaffung dieser zusätzlichen Belastung,
Das Ministerium selbst sieht keine Chancen für eine Abschaffung und wird dahingehend auch nicht aktiv werden. Der Minister möchte den Punkt aber in die nächsten Haushaltsverhandlungen aufnehmen und erreichen, dass das Geld wieder den Hochschulen zugute kommt.
Die Frage warum Mahngebühren für verspätet abgegebene Bücher der Universitätsbibliothek direkt an die bayerische Staatskasse gehen, statt vor Ort zu verbleiben, hielt auch die Delegation des Ministeriums für mehr als berechtigt. Die Studierendenvertretung wird die lokalen Abgeordneten anschreiben, um sie für eine entsprechende Gesetzesinitiative zu gewinnen. Das Gesetz könnte sich dabei an einer entsprechenden Regelung für die bayerische Staatsbibliothek orientieren. Diese Bibliothek darf die bei ihr anfallenden Mahngebühren bereits jetzt als einzige bayerische Bibliothek behalten und für die Bestandserhaltung verwenden. Diese Regelung sollte nach Ansicht der Studierenden auf alle Hochschulbibliotheken ausgeweitet werden. Die Unterstützung des Wissenschaftsministeriums wurde uns dabei zugesichert.
Keine Einigung konnte dagegen beim Thema der konkordatsgebundenen Lehrstühle außerhalb der Theologie erzielt werden. Auf Grundlage eines Konkordatsvertrages zwischen Bayern und der katholischen Kirche, der auf das Jahr 1924 zurückgeht, hat die Kirche das Recht bei der Berufung von Professoren für drei Lehrstühle (je ein Lehrstuhl für Pädagogik, Politikwissenschaft und Philosophie) in Erlangen beziehungsweise in Nürnberg ein Veto einzulegen.
Die Studierendenvertretung sieht in dieser Regelung eine Einschränkung der Freiheit der Wissenschaft und hält außerdem auch das Diskriminierungverbot für verletzt. Immerhin müssen Bewerber zu Konkordatslehrstühlen in der Regel der katholischen Konfession angehören. Der Minister gab jedoch deutlich zu verstehen, dass er keinen Konflikt mit der katholischen Kirche wünscht und verteidigte das Konkordat mit Hinweis auf die Bedeutung der christlichen Werte in der Gesellschaft und deren wichtige Rolle bei der Lehrerausbildung.
Da nach Einführung der Studiengebühren die Forderungen nach einem bezahlbaren Semesterticket bei den Studierenden wieder lauter wurden, hat sich auch die Studierendenvertretung dieses Themas erneut angenommen. Der Minister verwies dabei auf die speziellen Probleme aufgrund der räumlichen Struktur des Großraums Erlangen-Nürnberg und stellte fest, dass er hier „kein Geld in die Hand“ nehmen könne. Er empfahl stattdessen, mit den betroffenen Bürgermeistern zu reden. Hilfreich dabei könne sein, dass in Kürze Kommunalwahlen anstehen.
Ebenfalls thematisiert wurde die sogenannte „Hochschulmilliarde“. Dabei handelt es sich um ein Investitionsprogramm im Volumen von einer Milliarde Euro, die je zur Hälfte Fachhochschulen und Universitäten zu Gute kommen soll. Insgesamt entstehen dabei bis 2013 zusätzliche 38.000 Studienplätze. Dies wurde von den Studenten als nicht ausreichend kritisiert. Nach Prognosen des Wissenschaftsministeriums steigen im gleichen Zeitraum nämlich die Zahl der Studierenden voraussichtlich um 75.000.
Das Verfahren der Mittelvergabe, welches pauschal die Hälfte der Mittel an die Fachhochschulen vergibt und nach dem, laut Website des Ministeriums, drei Viertel der zusätzlichen Kapazitäten in den Ingenieur-, Natur- und Wirtschaftswissenschaften geschaffen werden sollen wurde vom studentischen Senator und Sprecherrat Martin Lochner als „planwirtschaftlich“ kritisiert.
Stattdessen solle sich der Ausbau der Kapazitäten an der tatsächlichen Nachfrage durch die Studienanfänger orientieren.
Dem wurde seitens des Ministeriums entgegengehalten, dass das Investitionsprogramm in engster Abstimmung mit den Hochschulen geplant worden sei. Außerdem sind 20% der Gesamtmittel für eine bedarfsorientierte Nachsteuerung vorgesehen. Geisteswissenschaften seien von dem Programm nicht ausgenommen – ihnen würde aber eine geringere Priorität als anderen Studiengängen zukommen. Auch sei das Investitionsprogramm, bezieht man die entstehenden Überlastkapazitäten ein, ausreichend um den Anstieg der Studienanfängerzahl vollständig auszugleichen.
Martin Lochner bei seinen Ausführungen zur Planwirtschaft in Bayern 😉 (Foto: André Kreuter)
Keinen Dissens gab es bezüglich der Weiterentwicklung des Urheberrechts. Das Ministerium wies darauf hin, dass sich Bayern über den Bundesrat bereits in der Vergangenheit für möglichst wissenschaftsfreundliche Regelungen eingesetzt hat. Man war sich einig, dass der Zugang der Hochschulen zu bezahlbarer Literatur, etwa auch zu elektronischen Publikationen, gesichert werden muss und ein anstehender dritter Korb der Urheberrechtsnovelle entsprechende Regelungen zu enthalten hat.
Kleinen Diskussionsanstoß:
Ich möchte die von Herrn Lochner Kritik der Planwirtschaft kritisieren. Ich weiss nicht, ob es so sinnvoll ist, sich an der Nachfrage der Studis zu orientieren um die Kapazitäten auszubauen. Viel mehr sind doch die Faktoren Wirtschaft und Gesellschaft ausschlaggebend. Ersteres benötigt natürlich hauptsächlich Kaufleute und Ingeneure und zweiteres gibt den ganzen Geisteswissenschaften ihre Daseinsberechtigung. Beide Interessen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Sich nur an der Studinachfrage zu orientieren wäre meines erachtens auf lange Sicht fatal.
@Manu
naja die Frage ist: wie erreicht man eine möglichst optimale Allokation von Studienanfängern auf die Fächer?
EINE Methode wäre zu sagen:
Wir haben Ärzte und Ingenieurmangel also schaffen wir dort Kapazitäten und hoffen dass sie auch fleißig genutzt werden. Das Problem ist, dass man so zwar Kapazitätsverteilungen ändern kann – aber nicht Berufswünsche der Studierenden (die wiederum auch was mit ihren individuellen Fähigkeiten und Zukunftsplänen zu tun haben). “Planwirtschaftliche” Vorgaben sind da eigentlich immer ziemlich ineffizient.
Die ANDERE Methode wäre zu sagen: Wir brauchen mehr Ingenieure => Also sollten die Löhne für Ingenieure steigen und sich die Arbeitsbedingungen verbessern. Das wiederum funktioniert nach einem simplen aber sehr effizienten Mechanismus: Angebot und Nachfrage. Steigt die Nachfrage nach Ingenieuren, steigt deren Lohn und entsprechend steigt auch die Zahl derer die eine entsprechende (auch hochschulische) Ausbildung machen. Auf entsprechende Veränderungen in der Nachfrage muss der Staat dann natürlich reagieren.
Im übrigen weiß ich nicht ob diese methodische Trennung zwischen Wirtschaft und Gesellschaft so sinnvoll ist. Die beiden bedingen sich ja gegenseitig – entsprechend könnte ich auch sagen: Ohne Geisteswissenschaftler könnte die Wirtschaft nicht funktionieren (mangels gesellschaftlicher Basisvoraussetzungen wie Rechtssicherheit) – ohne Kaufleute und Ingenieure gäbe es keine (zivilisierte) Gesellschaft (weil dann keine Zeit und Geldressourcen zur Verfügung stünden um allgemeine Güter wie Recht oder Verwaltung zu “produzieren”).
PS: Du darfst mich ruhig Martin nennen 😉