Anmerkung zum Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 15.04.2008

In der Süddeutschen Zeitung vom heutigen Dienstag findet sich ein Interview mit Lars Büthe, wie ich ein Mitglied des Zentralen Gebührengremiums. Zu diesem Interview möchte ich im Namen der Studierendenvertretung eine Anmerkung tätigen.

Es dreht sich im konkreten um folgendes Interview:

SZ: 1968 riefen die Studenten „Ho Ho Ho Chi Minh”, 2008 schlucken sie
Gebühren. Was ist mit Ihnen los, Herr Büthe?

Büthe: Schlucken ist das falsche Wort. Wir hatten ja Proteste. Ich
bin da nicht mitgelaufen, weil ich denke, dass man die Gebühren sinnvoll
einsetzen kann.

SZ: Gibt es zurzeit noch Protest?

Büthe: Nicht, dass ich wüsste. Ein Student hat geklagt. Wir
Studentenvertreter haben das Ganze inzwischen akzeptiert, was aber nicht heißt, dass wir alle die Gebühr befürworten.

SZ: Und die anderen Studenten?

Büthe: Die interessiert leider fast gar nicht, was mit ihrem Geld
passiert. Wir haben vor einem Jahr eine Info-Veranstaltung – da kamen zwei
Leute.

SZ: Haben sich die Studienbedingungen im vergangenen Jahr
verbessert?

Büthe: Bei uns am Fachbereich schon. Wir bekommen die Skripten
kostenlos, wir haben mehr Tutoren und jetzt endlich auch neue Rechner.

SZ: Haben die Gebührengegner übertrieben?

Büthe: So würde ich da nicht sagen. Dank der Proteste sind die
Gebühren-Kommissionen heute paritätisch besetzt. Da treffen wir uns zwei,
drei Mal im Semester und stimmen über die Anträge ab: fünf Studenten und
fünf Professoren.

SZ: Aber beim Patt entscheidet der Vorsitzende – ein Professor.

Büthe: Stimmt. Aber ich habe von wenigen Abstimmungen gehört, wo die
Studenten überstimmt wurden. Einmal – da ging’s um neue Stühle – haben wir
den Beschluss auf Uni-Ebene wieder kassiert.

SZ: Wie bemerkbar machen sich die 500 Euro im Semester plus 50 Euro
Verwaltung und 42 Euro fürs Studentenwerk pro Semester in Ihrem Budget?

Büthe: Bei mir übernehmen das meine Eltern, zum Glück.

SZ: Was machen Ihre Eltern?

Büthe: Mein Vater ist Chemiker, meine Mutter Hausfrau.

SZ: Ist das an Ihrer Uni noch ein Thema: dass es kaum
Arbeiterkinder gibt, die studieren?

Büthe: Natürlich. Wobei, in meinem Umfeld kommen einige Leute aus
Arbeiterfamilien. Ich glaube nicht, dass die Gebühr das ist, was vom
Studium abhält. Da spielt die elterliche Prägung eine größere Rolle.

SZ: Trotzdem sind 500 Euro ein weiterer Grund, nicht zu studieren.

Büthe: Stimmt. Aber dafür gibt es ja das Darlehen der Förderbank…

SZ: …mit einem variablen Zinssatz von zurzeit 6,5 Prozent.
Herr Büthe, die Erfahrung lehrt, dass Gebühren mit der Zeit fast
immer steigen. Wo liegt ihre Schmerzgrenze?

Büthe: Die ist mit 500 Euro erreicht. Bei mehr wäre ich auch dagegen.

Interview: Marc Felix Serrao

Einige Formulierungen des Interviews sind etwas unglücklich geraten. Selbstverständlich lehnt die Studierendenvertretung Studiengebühren weiterhin konsequent ab. Die Gebührengelder substituieren faktisch nur die Kürzungen aus den Jahren zuvor, sie sind geeignet die niedrige Akademikerquote in Deutschland weiter niedrig zu halten und schaffen zusätzliche Probleme für sozial schwache Familien. Bei den erwähnten Zinssätzen und der zusätzlichen Belastung, die dadurch am Beginn des Berufslebens entsteht, sind diese mehr als negativ. Sie sind auf jeden Fall keine adäquate Lösung, um weniger begüterten Studierenden ein Studium zu ermöglichen.

11 Replies to “Anmerkung zum Interview in der Süddeutschen Zeitung vom 15.04.2008”

  1. “Einige Formulierungen des Interviews sind etwas unglücklich geraten.”

    Sehr Diplomatisch, man könnte ja fast denken da redet der Kultusminister über Studiengebühren.

    Bei einigen Aussagen dachte ich mir was redet der da!?

  2. Sicherlich ist es so, dass wir uns einer Mitwirkung in den Gremien nicht verweigern, um die momentan erhobenen Gebühren auch sinnvoll und im Sinne der Studierenden auszugeben. Das hat in den meisten Fällen auch recht gut funktioniert. Genauso gibt es sicherlich einige Projekte die sehr gut ankommen und die auch ich persönlich inhaltlich eine Bereicherung finde.

    Aber wenn z.B. erst die Feuerwehren nach und nach immer weniger finanziert und personell ausgedünnt werden (woraufhin einige Häuser abbrennen), und danach dann eine Gebühr erhoben wird um einen große und technisch gut ausgestattetet Feuerwehr zu bezahlen, ist das ja ähnlich. Die Maßnahme ist sinnvoll und gut, was aber noch nichts über die Herkunft der Gelder aussagt. (jedenfalls so ähnlich wie ein hinkender Vergleich sein kann, daher bitte ich obigen Satz nur mit diesem Zusatz zu zitieren)

  3. Also angesichts der Problematik das verzweifelt Anträge geschrieben werden damit die Gelder nicht verloren gehen, wäre ich erstmal für eine Senkung auf die gesetzlich zulässigen 300 Eur. Das wäre eine deutliche Entlastung. Wenn die Eltern nicht zahlen merkt man die 1000 Eur doch deutlich.

  4. Aussagen wie “Wir haben vor einem Jahr eine Info-Veranstaltung – da kamen zwei
    Leute.” erwecken ein voellig falsches Bild. Wir bewarben die Vollversammlungen der Informatikstudenten immer mit der Infos zu Studiengebuehren und ihrer Verwendung, und dieses Thema war immer das beste Argument fuer die Kommilitonen, zu kommen.

  5. Sorry – Nachtrag:
    Abgesehen davon werden die Studierenden vielleicht nicht ueberstimmt, es ist jedoch Usus dass die Studierenden willfaehrig absurden Verwendungsplaenen einzelner Professoren folgen. Ich bin mir sicher, dass jedem, der in irgend einer Weise mit der Gebuehrenverteilung zu tun hat, Beispiele dafuer kennt.

  6. Sorry, aber das ist ja fast schon zu viel. Das Interview wirkt ja fast so als würde der Interviewer sagen “Na, die Gebühren sind doch scheiße” und der Studierendenvertreter “Ne, alles super” – etwas übertrieben gesprochen. Ich kann mir (auch auf Grund der Vollversammlungen etc.) nicht vorstellen, dass die Aussagen die Meinungen der Mehrzahl der Studenten unserer Uni repräsentieren…

  7. Guten Abend,

    ich möchte Lars mal in Schutz nehmen und stehe zu 100% hinter seinen Aussagen.
    Das Beispiel der Vollversammlung der Informatik zeigt zwar, dass Informatiker politisch interessierter zu sein scheinen, aber den Flopp der Studiengebühreninfoveranstaltung und auch die Anzahl an Nachfragen in den FSIen (die echt niedrig sind) kann man so nicht wegdiskutieren.
    Ich würde durchaus behaupten, dass eine Reihe von Projekten realisiert werden konnten, die das Studium angenehmer machen. Auf der anderen Seite sind 500 Euro natürlich viel Geld und es gibt immer wieder Belege, nach denen Studiengebühren zu einer Art Substitution verunglimpft werden (Zitat “Auch eine Aufrechterhaltung bei sonstigem Wegfall ist eine Verbesserung” …)

    Was Lars aber gesagt hat ist: “… nicht heißt, dass wir die Gebühr befürworten.”

    Zumal ich in den Raum werfen möchte, dass auch die Studenten keine einheitliche Meinung haben müssen.

  8. Gibts das ganze Intervie irgendwo als Download oder so?
    Also ich muss mich der Kritik mal anschliessen und finde die Antworten, z.B. zum Darlehen mehr als unglücklich. Also wenn jemand vom RCDS so ein Interview gegeben hätte, hätt ich mich nicht gewundert, aber wir sollten in einer grossen deutschen Tageszeitung doch etwas mehr aufpassen was wir sagen.
    Dieser Interview Auszug vermittelt schon einen ProGebühren Eindruck, was ich nicht sehr gut finde. Soweit ich weiss, hat der Konvent mal einen eindeutige Position gegen Studiengebühren beschlossen, oder irre ich mich da?

  9. “Zumal ich in den Raum werfen möchte, dass auch die Studenten keine einheitliche Meinung haben müssen.”

    Völlig richtig! Allerdings sollte halt die Studierendenvertretung als Institution eine einheitliche Linie vertreten. Diese Linie lässt sich z.B. in einer Resolution des Studentischen Konvents vom 24.01.2005 nachlesen, die sich klar gegen Studiengebühren ausspricht. Diese Linie wurde auch stets durch die folgenden Konvente und Sprecherräte so mitgetragen.

    Link zur Resolution:
    http://www.fauna.uni-erlangen.de/blog/wp-content/uploads/2008/04/resolution_fuer_ein_gebuehrenfreies_studium.JPG

    Ansonsten denke ich, dass man die Sache damit jetzt auch als erledigt bezeichnen könnte. Eventuelle Missverständnisse wurden ausgeräumt und erschienene Artikel sind halt erschienen und nicht mehr zu ändern.

  10. Die Frage ist doch, ob der Lars in dem Interview als Lars Büthe, oder als Vertreter des Zentralen Gebührengremiums aufgetreten ist?

  11. @Denis Göttner: Ob zum Download, weiß ich nicht. Die Bibliothek hat aber die Zeit abonniert und man kann sie dort lesen (so mit Papier und so).

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