Dienstag, 27. September, 19:30 Uhr,
Nachbarschaftshaus Gostenhof, Adam-Klein-Str. 6, Nürnberg
Teilen deutsche Wirtschaftspolitiker, die für den profitablen Absatz deutscher Dieselautos auf der ganzen Welt jeden Umwelt-Beschiss ihrer Vorzeige-Konzerne mitmachen, auf einmal die Befürchtungen, TTIP sei schlecht für die Umwelt? Wohl kaum!
Haben französische und deutsche Staatsleute nun Bedenken gegen TTIP wegen Verschlechterungen bei den Schutzstandards für lohnabhängig Beschäftigte – obwohl der französische Staat die nationale Krise mit einem Großangriff auf die soziale Lage der arbeitenden wie arbeitslosen Franzosen bekämpft und deutsche Politiker solche radikalen „Spar-“ und „Reformprogramme“ seit Jahr und Tag für ganz Europa fordern? Wer soll das glauben?
Wenn jetzt führende Politiker in Europa und den USA gegen TTIP hetzen, dann kalkulieren sie anders, als sie es bisher getan haben. Der Standpunkt, von dem aus sie kalkulieren und an dem sich jeder Protest von unten noch stets die Zähne ausgebissen hat, ist einundderselbe:
Es ist der überall regierende Standpunkt, dass die nationalen Kapitale wachsen müssen – unbedingt. TTIP sollte dafür die Wunderwaffe sein: Mehr Kapitalwachstum durch mehr grenzüberschreitende Freiheit beim Handeln und Investieren. Darum ist TTIP ehrlicherweise noch nie damit angepriesen worden, mit ihm würden Löhne und Gehälter steigen, überhaupt die Lebensverhältnisse der Menschen angenehmer oder sauberer – darum ging es ja auch nie. Immer war klar, dass mehr Kapitalfreiheit vor allem mehr Konkurrenz zwischen den Firmen bedeutet, die dafür ihr Personal auf wachsende Leistung zu sinkenden Kosten trimmen; und mehr Konkurrenz zwischen den Staaten, die ihren Völkern per Dauer-„Reformen“ Druck aufs nationale Lohnniveau bescheren. Weil und solange diese Standortpolitiker entfesselte Konkurrenz mit mehr transatlantischem Wachstum gleichgesetzt haben, von dem sie für ihre Nation möglichst große Teile sichern wollten, war für sie auch klar: Wenn Umwelt-, Sozial- und sonstige Standards dabei Konkurrenzhemmnisse, also Wachstumshemmnisse sind, gehören sie weg – eine schöne Auskunft aus berufenem Munde darüber, was diese Standards tatsächlich immer schon in erster Linie sichern sollten.
Wegen der weltweiten Wachstumskrise des Kapitals zweifelt dieser politische Standpunkt am nationalen Nutzen der TTIP-Kooperation mit den transatlantischen Konkurrenten. Mehr transatlantisch vereinbarte Kapitalfreiheit erscheint vielen von den gleichen Politikern jetzt nicht mehr als das Mittel für mehr Wachstum. Ihre unversöhnlichen Positionen im Streit um TTIP machen deutlich, dass das mit dem Projekt von beiden anvisierte Wachstum für ihre nationalen Kapitale nicht als Anteil an einem transatlantischen Gesamtwachstum zu haben ist, sondern nur noch durch das Wegnehmen und die nationale Monopolisierung von Geschäftsgelegenheiten, durch das Abwälzen von Krisenfolgen auf die anderen. Darum geraten die Verhandlungen so unversöhnlich; darum kommt die geplante imperialistische Kumpanei, die sich erklärtermaßen auch gegen Dritte richtet, neuerdings auf beiden Seiten des Atlantiks in den Ruf, den Verzicht auf die unverzichtbaren nationalen Waffen für die ruinöse Krisenkonkurrenz zu besiegeln. Und in der für die gewöhnlichen Leute erst recht nichts anderes vorgesehen ist, als maximale Dienstbereitschaft zu minimalen Kosten.
West- und ostatlantische Führer sind entschlossen, die Krisenkonkurrenz zum Nutzen der eigenen, also zum Schaden der anderen Nationen zu bestehen. Darum kommt es ihnen auf Durchsetzung gegen die anderen an, also auf die an nichts relativierte Souveränität ihrer Macht. Jede ökonomische Nutzen-Schaden-Rechnung überführen sie deshalb in die Gretchenfrage, wer sich von wem überhaupt Bedingungen gefallen lassen muss, wer wem generellen Respekt und Entgegenkommen – egal in welcher bestimmten Frage – abringen kann: Erkennt Europa endlich ohne Abstriche die Führungsmacht der USA an – fragen die Amerikaner. Erweisen die USA der EU endlich wirklichen Respekt auf Augenhöhe – fragen die Europäer. Ihre ökonomische Abhängigkeit voneinander bringt alle immer weniger auf berechnende Kooperation und immer mehr auf ein Kräftemessen gegeneinander, das sich pur um Über- oder Unterordnung dreht.
Ihre Völker ermuntern die Mächtigen nach Kräften dazu, ihnen Daumen zu drücken dafür, dass sie sich in diesem Kampf durchsetzen, für den die Leute – so oder so – ausschließlich in der Rolle der möglichst billigen Manövriermasse verplant sind.