#KeineUniOhneUns – Studierendenvertretung kritisiert Gesetzesentwurf
Anlässlich der heute endenden Einreichungsfrist für die schriftliche Verbändeanhörung zum Referent*innenentwurf des Hochschulinnovationsgesetzes, hat die Studierendenvertretung der FAU Erlangen-Nürnberg sich entschlossen, noch einmal Stellung zu den Inhalten und vorgesehenen Regelungen zu beziehen.
Die Entstehung des Gesetzes wird von der Studierendenvertretung kritisch beurteilt; die Kommunikation war intransparent und Wissenschaftsminister Bernd Sibler hielt einige Versprechen nicht ein (u.a. Beibehaltung der Studienzuschüsse, keine Gebühren für Nicht-EU-Studierende, zusätzliche Gelder für neue Aufgaben von Beginn an). Außerdem stellt sich die Frage, warum der Zeitplan nicht an die pandemiebedingt eingeschränkten demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten angepasst wurde.
Die Studierendenvertretung hat sich intensiv mit dem Entwurf auseinandergesetzt und auf lokaler und landesweiter Ebene Stellung bezogen [siehe Quelle 1 & 2].
„Wir wiederholen quasi vollständig unsere Anmerkungen zum Eckpunktepapier aus 2020, da unsere Vorschläge kaum Eingang in die Erarbeitung des Entwurfs gefunden haben und fügen unserer Kritik noch entscheidende Punkte hinzu, da der aktuelle Gesetzesentwurf einige unserer Befürchtungen zu Realität werden lässt.“, so Richard Schmidt (Vorsitzender des Studentischen Konvents).
Verlust der demokratischen Binnenstrukturen
Der Gesetzesentwurf strebt das große Ziel der Deregulierung in einem beunruhigenden Maß an und macht kaum Vorgaben für eine Mindestbeteiligung der Statusgruppen an den unterschiedlichen Verwaltungs- und Organisationsebenen der Hochschulen. Der Schutz der Rechte von Statusgruppen, die aktuell schon nicht genug in Entscheidungen eingebunden werden (wie Studierende, Mitarbeitende und Promovierende), wird weitgehend aufgehoben.
Der Gesetzestext stellt eine enorme Stärkung der Exekutive – der Hochschulleitung und des*der Präsident*in – zu Lasten der Legislative, des Senats und weiterer Gremien dar. So soll laut Gesetzesentwurf der*die Präsident*in alleine die Vorschläge für den*die Kanzler*in und die Hälfte des Hochschulrats geben, der*die auch die Hochschulleitung kontrollieren soll. Auch wird ermöglicht, dass die Leitungen der Fakultäten (in Zukunft: „akademische Selbstverwaltungseinheiten“) durch den*die Präsident*in ernannt werden können, ohne dass eine demokratische Wahl stattfindet.
„Die Deregulierung der Demokratie ist sehr gefährlich, denn eine ausreichende Beteiligung aller Statusgruppen ist essentiell – sie darf nicht noch weiter beschnitten werden. Daher fordern wir einen viertelparitätischen Senat nach Thüringer Modell für dieses Gesetz. Das inkludiert mindestens zwei stimmberechtigte Studierende in allen Gremien und Berufungsausschüssen der Universität“, so Michael Ruppert (Sprecher*innenrat).
Anerkennung studentischen Engagements
Auch wenn wir die rechtliche Anerkennung der Landesstudierendenvertretung begrüßen, so hat Bayern als einziges Bundesland keine verfasste Studierendenschaft. Wären die knapp 39.000 Studierenden Arbeitnehmer*innen in einem Unternehmen, hätten sie einen gesetzlichen Anspruch auf 27 freigestellte Betriebsrät*innen.
„Durch fehlende Entlastungen, z.B. in Form einer Freistellung oder der Verlängerung der Regelstudienzeit, werden Studierendenvertretungen auch in Zukunft massiv unterbesetzt sein. Dies schwächt auch die Mitsprache und Innovationskraft der Hochschulen nach innen und außen.“, so Moritz Wicklein (Studentischer Senator).
Für die Studierendenvertretung ist zudem unklar, warum immer wieder nicht haltbare Vorurteile gegen eine gesetzlich verankerte eigenständige Vertretung kundgetan werden. „Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass es Studierendenschaften braucht, die sich zu allen politischen Themen äußern dürfen, die die Studierenden als Teil der Gesellschaft betreffen und dass Studierende politische und gemeinschaftliche Verantwortung auch in Form von finanziellen Mitteln übernehmen dürfen müssen. Zur Kontrolle können Schlichtungskommissionen gebildet werden. Auch der Vorwurf der Zwangsgebühren und -mitgliedschaft ist haltlos. Opt-Out-Modelle, bei denen Individuen ohne Angabe von Gründen austreten können und die Bindung der Gebühren an die Wahlbeteiligung, haben sich in anderen Bundesländern bereits bewährt.“, so Lisa Heger (Studierendenvertretung).
Finanzielle Situation der Hochschulen
„Die Grundfinanzierung aller Fachbereiche, die den Konkurrenzkampf zwischen Lehre und Forschung um finanzielle Mittel hätte beenden sollen, ist im Gesetzesentwurf nicht verankert. Gute Lehre wird in Zukunft ein Luxusgut werden, dass sich die Hochschule leisten können muss.“, so Theresa Brunner (Stellvertretende Vorsitzende des Studentischen Konvents). Die erwartbare Verschärfung der angespannten finanziellen Lage an den Hochschulen rührt auch daher, dass im Rahmen des Gesetzesentwurfes kein zusätzliches Budget für neu definierte Aufgaben, keine zusätzlichen Stellen für neu definierte Ämter und veränderte Anforderungen und keine Dynamisierung der Löhne vorgesehen sind.
Besonders schmerzhaft aus Sicht der Studierendenvertretung ist der Wegfall des bisher gesetzlich festgelegten Budgets, bei dessen Verteilung die Studierenden bisher paritätisch mitbestimmen, den so genannten Studienzuschüssen. Aus diesen werden bisher Verbesserungen bzw. an vielen Stellen auch nur der Erhalt von anständigen Studienbedingungen finanziert. In Zukunft wird es die Entscheidung jeder Hochschule sein, einen Haushaltsposten einzurichten, bei dem sie den Studierenden ein Mitspracherecht zubilligt. Die Summe der Studienzuschüsse stagnierte auf dem Level von 2013/14 bei einer Gesamtinflation von 11,4% und einer bayernweiten Steigerung der Studierendenzahlen von 14%.
Ebenfalls lokal soll die Entscheidung getroffen werden können, die Kasse der Hochschule durch das Erheben von Studiengebühren (ohne Obergrenze) für internationale Studierende aus Nicht-EU-Ländern aufzubessern. „Wir stehen hinter der Forderung nach kostenfreier Bildung für alle und sehen diese so offen formulierte Einkommensoption für die Hochschule sehr kritisch.“, so Lara Ebbinghaus (Studierendenvertretung).
Schließlich fordert die Stuve auch, dass bereits Lehren aus der Coronasituation in das Gesetz einfließen. So schlägt z.B. der Landesverband LAK Bayern vor, dass zukünftig die individuelle Regelstudienzeit per Rechtsverordnung regionsspezifisch, hochschulspezifisch oder für ganz Bayern verlängert werden kann, wenn ein signifikanter Anteil der Studierenden aufgrund äußerer Umstände nicht regulär studieren kann. „Denn Naturkatastrophen und Zoonosen werden aufgrund der Klimakrise häufiger. Auch die Verantwortung der Hochschulen und ihr Beitrag zur Lösung der Klimakrise, sowie ein Bekenntnis zum bayerischen Klimaschutzkonzept fehlen in der Gesetzesvorlage nahezu vollständig.“, so Paulus Guter (Studierendenvertretung).
„Wir sind also eher nicht zufrieden mit dem aktuellen Gesetzesentwurf, fast alle unsere Befürchtungen wurden bestätigt und es ist in unseren Augen nicht das bestmögliche Gesetz, um die bayerischen Hochschulen fit für die Zukunft zu machen. Wir hoffen auf umfangreiche Nacharbeiten im parlamentarischen Verfahren und appellieren an alle Verantwortlichen, der größten Statusgruppe, den Studierenden, Gehör zu schenken und sich der gesellschaftlichen Verantwortung der Hochschulen bewusst zu sein.“ so Luisa Weyers (Studentische Senatorin).
#KeineUniOhneUns #ReformTheReform